geschrieben von M. Blank

Eine Siedlung ist auferstanden

In der Siedlung Sura Mare waren wir inzwischen fast 15 Jahre lang

Eine Siedlung ist auferstanden

In der Siedlung Sura Mare waren wir inzwischen fast 15 Jahre lang tätig. 2007 kam Jenny das erste Mal dorthin und sah dort die absolute Katastrophe. Hütten ohne Strom- und Wasseranschluss, Hunger, Verzweiflung, Kälte ….

Endzeitstimmung. Kein Kind ging zur Schule. Niemand hatte ein Ziel oder einen Plan, wie man die Situation verbessern könnte. Ja, es wusste auch niemand, wie so ein „besseres Leben“ überhaupt aussehen könnte. Die Menschen hatten sämtliche Hoffnung verloren.

Die Beziehung der Eltern zu ihren Kindern war irgendwie verschüttet.

Jeder versuchte irgendwie den Tag zu überleben und an etwas zu Essen zu kommen. Der Hunger war so allgegenwärtig, dass die Kinder auch nicht mehr vor Hunger weinten …

alle hatten resigniert. Eltern und Kinder hatten psychische Probleme, kaum jemand konnte Lesen und Schreiben, Sucht, Kriminalität, Prostitution, Kinderhochzeiten, unversorgte Krankheiten …

so ziemlich jedes Problem, was man sich vorstellen konnte, gab es hier.

Eigentlich hatten wir anfangs auch nicht wirklich einen Plan. Wir danken allen, die mit uns drangeblieben sind.

Wir setzten die Hilfe zunächst auf zwei Säulen: Nachmittagsprogramm für die Schulkinder und Lebensmittelhilfen.

Aber das reichte nicht aus, wie wir bald feststellen mussten. Wir begann, die Wohnsituation zu verbessern, haben zur Familienplanung beraten und bei der Umsetzung geholfen, bezahlten Arztbesuche und Medikamente

… sahen die Familie als Ganzes und setzten eine ganzheitliche Hilfe um. Wir berieten in allen Lebenslagen und unterstützten individuell da, wo es notwendig war.

Der richtige Entwicklungsschub der Familien kam, als die Wohnsituation verbessert wurde. Kleine Häuschen, warm und trocken, mit Wasser- und Stromanschlüssen entstanden. Irgendwann wurden die ersten Bäder gebaut.

(Eine Lehrerin bestätigte uns, dass sich die Leistungen eines Kindes in der Schule signifikant verbessern, wenn es erstmal von der Hütte in ein Haus umgezogen ist.)

Eltern nahmen die Bedürfnisse ihrer Kinder wieder wahr und kümmerten sich nicht nur um Hygiene und Schulbesuch, sondern waren auch emotional wieder für ihre Kinder da. Die Menschen fingen an, sich auch um die älteren zu kümmern … Es entstand das soziale Gefüge eines kleinen Dorfes.

Die Väter gehen geregelten Tätigkeiten nach und auch viele Frauen haben inzwischen kleinere Jobs, um das Einkommen aufzubessern. Durch die Familienplanung konnten die Frauen sich auch körperlich wieder erholten, wurden wieder kraftvoll und konnten sich besser um ihre Kinder kümmern. Wurde ein Baby geboren, so war es ein Wunschkind, wurde geliebt, umsorgt und verwöhnt.

Die Entwicklungen waren für uns teilweise atemberaubend. Manchmal konnten wir es selbst kaum fassen.

Wenn man heute durch Sura Mare geht, hat man fast das Gefühl, man geht durch eine kleine normale Einfamilien-Haus-Siedlung. Es gibt Tore und Zäune, Geranien blühen im Fenster, Rauch steigt aus den Schornsteinen (die erste Familie hat schon eine Heizung eingebaut), Wäsche hängt auf der Leine, fröhliche, gut ernährte Kinder spielen im Hof.

Der Schulbesuch ist ganz normal geworden, Kindergeburtstage werden gefeiert, in den Küchen wird gekocht und gebacken. Ist ein Kind krank, wird es einem Arzt vorgestellt…. Alle diese Dinge sind vollkommen normal geworden.

 Der Umschwung ist so riesig, dass man denken könnte, man hat die Siedlung in eine vollkommen andere Welt katapultiert. 15 Jahre hat es gedauert; das entspricht hier fast einer Generation.

 Die Menschen haben ihre eigene Kraft wieder entdeckt. Sie setzen sich Ziele und überlegen, wie sie es umsetzen können. Sie haben begriffen, dass sie arm sind, aber nicht hilflos.

 Wir haben in Sura Mare unser Ziel erreicht. Die Menschen stehen auf eigenen Beinen. Vielleicht manchmal noch ein wenig wackelig, aber sie können für sich selbst sorgen. Durch die Schaffung von Wohneigentum sind die Wohnkosten auf die Nebenkosten limitiert und können so auch mit kleinem Einkommen getragen werden. Mütter und Väter übernehmen jetzt selbst die Verantwortung für ihre Familien.

Wir werden uns deshalb aus Sura Mare verabschieden. Eine Siedlung ist aufgestanden und im Leben angekommen.

Neue Herausforderungen warten auf uns. Was wir in Sura Mare geschafft haben, schaffen wir auch in anderen Siedlungen. Und leider gibt es um Sibiu herum noch viele Siedlungen, die dringend auf Hilfe warten, wo die Hoffnungslosigkeit noch Alltag ist.